HIntergrund

Ethische Probleme gewinnen in der öffentlichen Diskussion und beruflichen Welt zunehmend an Bedeutung. Die
gesteigerte Nachfrage nach ethischer Kompetenz korrespondiert mit einer allmählichen Institutionalisierung
der Medizin- und Bioethik im akademischen und politischen Bereich. Die verfügbaren Ausbildungsmöglichkeiten haben mit dieser Entwicklung jedoch nicht Schritt gehalten.
Voraussetzung ist eine interdisziplinäre Kompetenz, die in den etablierten Studiengängen kaum vermittelt wird. Das DKFZ eröffnet besonders qualifizierten jungen Wissenschaftlern durch die Durchführung von Klausurwochen
im Bereich ethischer, rechtlicher und sozialer Aspekte der modernen Medizin und Biotechnologie die Möglichkeit zur interdisziplinären themenbezogenen Arbeit, weiteren Profilbildung und zusätzlichen Qualifikation. Ziel der
Klausurwochen ist es, Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen mit den Grundlagen ethischen Denkens vertraut zu machen, in die wichtigsten Konzepte und Theorien der Angewandten Ethik einzuführen und anhand von
Fallbeispielen zu fachgerechten und sorgfältigen Analysen von ethischen Problemen zu befähigen. Am DKFZ sind
renommierte Forschungsgruppen im Bereich der Molekularen Medizin tätig. Ethische Fragen, die aus der wissenschaftlichen Arbeit vor Ort erwachsen, werden mit den Teilnehmern in einer Integration von einzelwissenschaftlicher Expertise und ethischer Reflexion analysiert, diskutiert und bewertet. Die Themenauswahl orientiert sich an Aktualität, inhaltlicher Verknüfbarkeit und vorhandener Fachkompetenz. Beispielhaft werden die Krebsforschung und –therapie, Molecular Farming, Genomforschung, Gendiagnostik und Transgene Tiermodelle behandelt.

Im Vordergrund steht die normative Verständigung über die Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Handelns im
Umgang mit der lebendigen Natur (Pflanze, Tier) und der Natur des Menschen. Die sachbezogene, bereichsspezifische Reflexion über menschliches Verfügungswissen und technische Handlungsmacht im Kontext der modernen Medizin und Biotechnologie führt zwangsläufig zur Selbstreflexion des Menschen und sein Verhältnis zu sener eigenen sowie der übrigen Natur. Die Klausurwoche beginnt darum mit einem inhaltlichen Diskurs über die Bildsprache, die in den Naturwissenschaften entworfen wird, und den darin enthaltenen sozialen Setzungen und Deutungen. Dieser Zugang führt notwendig zu der Frage nach dem Lebensbegriff und Menschenbild, Freiheit und Determinismus, usw., die im Mittelpunkt der Klausurwoche stehen. Der Bogen des Gespräches spannt sich vom Begriff des Codes bis zur Übersetzungsfrage, von reduktiven Darstellungen bis zu komplexen Sichtweisen, usw. In den letzten Jahren werden die Auswirkungen dieser „biologischen Revolution“ für das Selbstverständnis des Menschen immer wieder in der zeitgenössischen Kunst diskutiert. Am Ende der Klausurwoche steht darum die Beschäftigung mit der künstlerischen Praxis als Brückenschlag zwischen den beiden bipolar verstandenen Kulturen. Die Kunst bringt einen symbolischen Raum hervor, der etwas über die Spiegelung des Konzeptes vom Menschen im Technischen und in dem neuen Deutungshorizont der Biowissenschaften aussagt. Zugleich schafft sie die kritische Distanz, die den Denkraum für die Kunst und die Wissenschaft erneuert und die Sprachfähigkeit mit der Öffentlichkeit wiederherstellt.