Der technische Fortschritt im Zusammenhang mit Personalisierter Medizin stellt Gesellschaft und Entscheidungsträger vor neue ethische Herausforderungen. Fragen zu vielfältigen Bereichen müssen beantwortet werden, hierzu zählen u.a. verändernde Eingriffe in das menschliche Genom oder der faire Zugang zu teuren Behandlungen.

 

Die Einstellung von Laien zu diesem Thema, die zur Politikgestaltung in demokratischen Gesellschaften hinzugezogen werden sollten, sind jedoch wenig untersucht. In modernen Gesellschaften, die durch Prozesse der Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung gekennzeichnet sind, gewinnen Strukturen und Verfahren, die auf Partizipation und Autonomie angelegt sind, und auf die aktive Mitwirkung eines mündigen Bürgers zielen, stetig an Bedeutung.

 

Unsere Forschung bezieht sich in zwei Stufen auf diese relevanten Themen: In einem ersten Schritt entwickeln wir einen Fragebogen zur Messung bio- und medizinethischer Meinungen von Laien. Im Anschluß daran wollen wir dieses Instrument nutzen, um die möglichen Auswirkungen einer strukturierten Vermittlung von Wissen und sozialer Interaktion über bio- und medizinethische Fragen zu untersuchen.

 

Unser Team erforscht in einer ersten Phase die bio- und medizinethischen Ansichten von Laien mit Hilfe von konzeptuellen und experimentellen Methoden. Wir entwickelten in der ersten Phase einen Fragebogen zur Messung von Meinungen im Hinblick auf die Personalisierte Medizin. In drei Pilotstudien, die 2017 bis 2019 durchgeführt wurden, haben wir vorläufige Erkenntnisse dazu gewonnen. Hierbei zeigte sich, dass Ansichten über Personalisierte Medizin stark polarisiert sind: etwa die Hälfte der Personen, die an der Befragung teilgenommen haben, stehen den Verfahren und Behandlungen sehr positiv gegenüber, während die andere Hälfte diese hoch skeptisch einschätzt. Aktuell sind wir dabei, den Fragebogen an einer größeren und repräsentativen Stichprobe zu validieren.

 

In einem zweiten Schritt nutzten wir den Fragebogen, um den Einfluss von öffentlichen Veranstaltungen auf ethische Meinungen zu untersuchen. Damit gingen wir der Frage nach, ob Information und Diskussion die Meinung von Laien hinsichtlich bio- und medizinethischer Fragestellungen ändern können. Wir erfassten die Meinungen von Teilnehmer/innen an einem Workshop über Personalisierte Medizin des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg sowie einer Verbraucherkonferenz "Genomeditierung" des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin. Bei allen Veranstaltungen verglichen wir die Meinungen der Teilnehmenden vor und nach den Veranstaltungen; bei der DFKZ-Studie stellten wir zusätzlich einen Vergleich mit einer Kontrollgruppe an, die an einem Workshop des DKFZ ohne thematischen Bezug zur Personalisierten Medizin teilnahm. Vorher-Nachher-Vergleiche sowie Vergleiche zwischen den beiden Teilnehmergruppen zeigten, dass nur die thematisch relevanten Veranstaltungen Teilnehmende in ihren Meinungen sicherer werden ließ, unabhängig davon ob sie nachweislich etwas lernten oder nicht. Außerdem waren alle Teilnehmenden in ihren Meinungen sicherer, wenn diese ethisch extremer waren -- umgekehrt waren sich Teilnehmende mit moderaten Meinungen eher weniger sicher. Bei einer Veranstaltung wurden die Teilnehmenden in ihren Urteilen extremer. Wir schließen aus dieser Untersuchung, dass Veranstaltungen mit der Öffentlichkeit diese in ihren ethischen Urteilen bestärken kann, aber auch das Risiko bergen, dass extremere Positionen einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Meinungsbildung haben.